31. Sonntag im Jahreskreis - 5. November

Gedanken zum Sonntag
Segen

Manche reden gerne über andere Leute.
Über ihr Aussehen, über ihr Verhalten,
über Haus und Hof, über Auto und Beruf.

Sie tuscheln und tratschen,
sie erzählen Wahres und Erfundenes.

Manche reden gerne über andere –

Sie sprechen Richtiges und Falsches.

Ob es immer bzw. überhaupt nötig ist?

Ob es nicht oft eher etwas über die sagt,

die tuscheln und reden, als über die,

über die gesprochen wird?


Auch im Evangelium redet jemand über andere.

Jesus redet über die Leute,

über die Pharisäer und Schriftgelehrten.

Bisher hat er sich mit ihnen auseinander gesetzt.

Sie haben zur Rede gestellt, in Fallen gelockt.

Nun redet er über ihr Verhalten und über die Wirkung,

die ihr Verhalten auslöst.

Der Evangelist Matthäus hat uns diese Worte überliefert.

Es ist wichtig, die Überlieferung immer im Blick zu haben.

Matthäus hat das Evangelium viele Jahrzehnte nach Jesu Tod und Auferstehung geschrieben.

Er hat es für die jungen christlichen Gemeinden geschrieben.

Sie sind gerade im Entstehen sind.

Und so zeigt Matthäus – bzw. lässt er durch die Worte Jesu einen Kontrast aufzeigen.

Den Kontrast zwischen den Pharisäern und Schriftgelehrten und ihrem Verhalten sowie der jungen christlichen Gemeinde.

Die scharfe Kritik an den Schriftgelehrten und Pharisäer soll den Kontrast verstärken.


Jesus kritisiert die Hierarchie und ihre Scheinheiligkeit

(sie verrichten lange Gebete zum Schein),

die Instrumentalisierung der Religion für das eigene Ansehen (wollen die vordersten Plätze bei jedem Festmahl haben)

oder die Wache über die Moral (sie legen anderen Lasten auf, die sie selber nicht tragen).


Dieses Fehlverhalten wird drastisch formuliert.

Es dient als Kontrast.

Unter den Jüngern Jesu soll es anders zugehen:

„Ihr sollt euch nicht Rabbi nennen lassen,

nicht Vater nicht Lehrer,

denn nur eine ist euer Lehrer: Christus“.

Wie soll es bei den Christen sein?

Scheinheiligkeit soll es nicht geben.

Gebete sollen echt sein.

Nicht nach außen hin prahlen,

sondern für sich beten. Unauffällig.

Religion und religiöses Wirken darf nicht instrumentalisiert werden.

Weder im persönlichen Bereich,

wenn ich nach außen hin sagen würde, wie toll religiös ich bin.

Religion darf nicht von einzelnen,

nicht von Gruppen oder Staaten als Vorwand für Gewalt, Krieg,

Terror und Missbrauch genommen werden.

Religion, christlicher Glaube, ist etwas, was den Frieden bringen möchte, den Menschen groß macht und stärkt,

ihn aufbaut und ermutigt.

Religion ist dazu da, Orientierungspunkte,

Leitplanken für ein gutes persönliches Leben und Zusammenleben zu geben.

Dabei darf sie sich nicht anmaßen,

Details des menschlichen Lebens und Zusammenlebens regeln zu wollen.

Religion nimmt Gott in den Blick

und spürt seinem Wirken in unserer Zeit nach.

Und sie lädt die Menschen ein, einander zu dienen.


Deshalb ist das, was hier heute im Evangelium steht,

nicht so sehr als große Abrechnung gegenüber den Schriftgelehrten und Pharisäer zu verstehen,

sondern als Hinweis und Mahnung an die christliche Gemeinde.

Denn natürlich gibt es auch dort Leitungsfiguren

und natürlich gibt es auch dort Menschen,

die einer bestimmten Position sind,

die Gottesdienste feiern,

die andere im Glauben unterweisen usw.

Aber diese sollen sich nicht zwischen Gott und den Menschen stellen als Heilsvermittler.

Sie stehen mit den Menschen vor Gott und sind in ihm schon längst geborgen.


Dieses Evangelium wirft also ein Licht auf die christliche Gemeinde, wie sie sein soll.

Eine geschwisterliche Gemeinde,

bestehend aus Menschen, die nicht deshalb zusammenkommen,

weil sie das Heil erlangen wollen

und den Heilsvermittler brauchen.

Es geht um eine Gemeinde,

die deshalb zusammenkommt, um das Heil,

das ihr geschenkt ist, zu feiern.

Das Heil feiern – Zusammenkommen – das geht auf vielfältige Weise.

Sonntags, an Werktagen.

Mit Hauptamtlichen, ohne.

Das geht, wo zwei oder drei in seinem Namen versammelt sind, das geht auch beim persönlichen Gebet allein zu hause.

Das Heil feiern – das geht ohne Hierarchie wie wir sie kennen. Ohne Titel und Farben.


Es geht am Ende bzw. am Anfang um eine geschwisterliche Kirche, ein geschwisterliches Miteinander.

Es geht nicht um die Berufung von wenigen,

sondern um die Berufung aller und die Taufwürde aller.

Denn in der Taufe, in der Taufwürde, ist meine Berufung grundgelegt und die Taufe ermächtigt mich, zu handeln,

mich einzubringen, in der Gemeinde zu wirken.

Wenn wir das Heil feiern,

wenn wir uns unserer Taufwürde und -berufung erinnern,

dann werden wir spüren,

dass Christus unser Meister und Lehrer ist.

Dann werden wir spüren und leben,

dass wir alle „Brüder“, also Geschwister sind.

Nicht Hierarchie wird dann bestimmend und prägend sein, sondern Geschwisterlichkeit.



Peter Göb

Es gilt das gesprochene Wort

Der Herr sei vor dir,

um dir den Weg zu zeigen.

Er sei neben dir,

um dich in die Arme zu schließen und

dich zu beschützen.

Er sei unter dir,

um dich zu tragen,

wenn du Angst und Sorgen hast.

Er sei in dir,

um mit all deiner Überzeugungen zu leben:

Glaube, Hoffnung und Liebe.

Er sei über dir,

um dich zu segnen.

So segne und behüte dich:

Der Gott, den wir bezeichnen als

barmherziger Vater,

als menschgewordener Sohn,

als tröstender Geist!